Figuren im Kunstgang

Ich sehe was, was du nicht siehst

Einzigartig und besonders sind Worte, Komplimente, die wir gerne hören. Aber was bedeuten sie für jeden von uns? Wie nehmen wir uns und die anderen wahr? Oft kommt es in normalen Alltagssituationen zu Streitigkeiten, weil man sich missversteht, sich gegenseitig anders wahrnimmt. Betrachten wir die Bilder, die im Kunstflur unserer Schule hängen. Jeder von uns nimmt sie anders wahr, vielleicht kann auch nicht jeder etwas mit ihnen anfangen. Doch wie auch im Leben selbst sollten wir die Bilder und Farben einmal auf uns wirken lassen. Siehst du dasselbe wie ich? Fühlst du beim Betrachten dasselbe wie ich? Vielleicht ja etwas Ähnliches, aber sicher nicht genau dasselbe, das dieses Bild einzigartig macht. 

Wir als Kunstkurs von Frau Stolley-Martens wurden recht schnell auf die Probe gestellt bei diesem Projekt. Wann klappt mal etwas wie geplant? Eigentlich selten! Ein Plan B ist immer gut, aber wenn auch der nicht so recht will… 

Die Papiere werden mit Kleister angebracht. Und wenn die Sonne scheint, durchflutet das Licht die Bilder und Farben. So war der Plan. Doch wie alles im Leben hat uns der Kleister gleich am selben Tag mit der Vergänglichkeit konfrontiert. Schon nach wenigen Stunden haben sich die Papiere wieder gelöst. Sie wollten einfach nicht halten. Auch weitere Versuche haben nichts gebracht. Der Wille der Papiere, die Einzigartigkeit, die Besonderheit an diesem Projekt – vielleicht ist es genau das, was es uns zeigt. Aber vielleicht auch genau diese Vergänglichkeit vom Leben und den Zusammenhang, der zwischen allem hängt, was in unseren Leben passiert. Diese Vergänglichkeit macht unser Leben gerade erst einzigartig und besonders. 

Und nun betrachte mal die Bilder und auch dich selbst. Bist du ein offenes Buch und jeder weiß, was du denkst und fühlst? Oder bist du verschlossen, eher schüchtern und zurückhaltend? Machst du dir viele Gedanken, was andere über dich denken? Oder ist dir die Meinung der anderen völlig egal, denn du bist selbstbewusst, vielleicht arrogant? Traust du dich auf fremde Menschen zuzugehen oder brauchst du jemanden, der dir Hoffnung gibt und dich unterstützt? Freust du dich auf einen ausgelassenen Sommer mit guter Musik und Party? Hast du jemanden, der dich genau so nimmt, wie du bist, mit dem du dich ergänzt? Seid ihr wie eins aber doch verschieden? Fühlst du dich erdrückt von einer Last, einem Druck, dem du nicht weichen kannst und gibt es jemanden, der dir hilft – auch wenn du das vielleicht nicht immer siehst? Oder schaffst du es trotz der ganzen negativen Dingen in deinem Leben positiv zu bleiben und dir den Spaß am Leben nicht nehmen zu lassen? 

Eins ist klar: Du bist stark, besonders und einzigartig! Und jeder von uns sieht in diesen Bildern, in sich und in seinem gegenüber etwas anderes. Lass dich – wie den Gang und die Farben – Tag für Tag neu erscheinen, immer anders, einzigartig und genau so, wie es für den Moment sein soll. Auch das Licht im Gang ändert sich. Ähnlich wie deine Laune, deine Gefühle und dein Empfinden.

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Tim, Henri, Jacob und Verena:

Eine unausweichliche dunkle Last drückt die in blau dargestellte Person runter und belastet diese. Doch die linke Person strahlt durch ihre warmen Farbtöne Ruhe, Freude und Wärme aus. Die Hand der linken Person zur rechten bietet dieser einen Weg aus der dunklen Last. Die Gruppe berichtet, dass sie durch das Malen im Stehen, somit in aufrechter Haltung, den Farben und ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnten.

Tjure, Samira, Mira und Mareike:

Der warmherzige, schüchterne Junge traut sich nicht zu anderen zu gehen, doch das Mädchen mit viel Hoffnung reicht ihm die Hand und hilft ihm, seinen blauen und einschränkenden Hintergrund zu verlassen. Die Gruppe erwähnt, dass sie sich durch das Tragen der Farbe in den Gängen freier in ihrer Bewegung gefühlt hat.

Enna, Rizgar, Nicholas und Annika: 

Die Personen passen gut zusammen. Sie sind nicht gleich, doch ergänzen sich, denn jeweils ihre Farbe ist die Hintergrundfarbe der anderen. Auch die Kästen in der Darstellung stellen eine Verbundenheit dar, denn diese verbinden die Farbkunst mit der Dichtkunst und führen somit zu einer Ergänzung. Die Gruppe erzählt, dass sie sich bei dem Projekt besser fühlt als an einem Tisch, da das Arbeiten viel freier in der Bewegung ist.

Chantal, Lea und Timo:

Positive Energie, glücklich sein und Freude bei einer Party. Genau das fehlt seit über einem Jahr. Das gute Wetter, welches man durch die Fenster sieht, unterstützt die sommerlichen Glücksgefühle. Die Gruppe bemerkt, dass es am Tisch zwar bequemer ist als am Fenster, aber man sich befreit fühlt durch die Bewegung und das Stehen. 

Leonhard, Sarah und Devrim:

Siehst du die Personen oder nur durch sie hindurch? Personen, die durch ihre Farben und Gefühle vereint sind, aber sich doch voneinander abwenden, bilden einen Kontrast. Denn manchmal sieht man im Leben erst auf den zweiten oder dritten Blick, was passt. Die Gruppe berichtet, dass die Farbwahl durch ihre Gefühle bestimmt wurden, welche sie beim Entwerfen hatten.

Hannah, Anna, Mailin, Gianna und Chiara:

Trotz der negativen und unfairen Dinge, die manchmal den Weg im Leben bestimmen, bleiben die Personen positiv und lassen sich ihre Lebensfreunde nicht nehmen. Die Gruppe beschreibt, dass sie durch das Arbeiten im Stehen eine Art Grenzenlosigkeit wahrgenommen hat, und sie wurde durch die wechselnden Lichtverhältnisse an den Fenstern immer wieder inspiriert zu neuen Plänen.

Malerei im Stil der 80er Jahre

Kunstgeschichtlich gesehen beschäftigt sich die Figurenmalerei des 11er Kunstkurses mit der expressiven Formensprache der „jungen Wilden“. Diese international sehr bekannte und erfolgreiche Malerei in den 1980er Jahren wurde u.a. von Rainer Fetting und Barbara Heinisch vertreten. Heinisch nutzte genau wie der Kurs von Frau Stolley-Martens die Transparenz einer Leinwand, um die Umrisse ihrer Modelle zu übernehmen. So sind sehr bewegte und ausdrucksstarke Figuren in abstrahierter Form und expressiver Farbigkeit entstanden. Weitere Informationen: https://www.barbara-heinisch.de          https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Fetting

Rainer Fetting

Barbara Heinisch

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