Erster Projekttag als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“

– Kein Tag wie jeder andere am Gymnasium Groß Ilsede –

Als wir uns im Juni 2019 dazu verpflichteten, jährlich ein Antirassismus-Projekt durchzuführen, ahnten wir noch nicht, wie stark uns die Corona-Pandemie ausbremsen würde. Allen Einschränkungen zum Trotz blieb die AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, in der sich derzeit 9 Schülerinnen allen damit verbundenen Themen widmen, am Ball und organisierte von langer Hand unseren ersten Projekttag, der schließlich am 1. Februar 2023 stattfand.

Nach langen, teilweise zermürbenden Planungsphasen, hörte man so manchen tiefen Seufzer: „Ich hätte nicht gedacht, dass das so viel Arbeit macht, einen Projekttag zu planen!“ Und das ist wohl wahr, denn es handelte sich nicht um die Idee eines Klassen- oder Jahrgangsprojekts, sondern es sollte ganz groß werden, schulgemeinschaftlich groß! Die Vergegenwärtigung der Dimension, dass diese 9 fleißigen Schülerinnen ein Schulgemeinschaftsprojekt für ca. 960 SchülerInnen ihrer Schule mitsamt ihrer 62 aktiven Lehrkräfte organisiert hatten, ließ die Anspannung rasch der Euphorie weichen.

Eine Vielfalt an unterschiedlichsten Themen bot für alle Jahrgänge breite Wahlmöglichkeiten: Während sich die Schüler*innen der Jahrgänge 5 und 6 altersgerecht in Projekte wie „Kinderrechte“, „Zwischen Freundschaft und Mobbing“, „Sport für und mit Respekt“, „Theaterspielen“, „Wie gehen wir miteinander um?“ u.a. einwählen konnten, standen für die Jahrgänge 7 und 8 u.a. Themen wie „Cybermobbing“, „Diskriminierung in Fanszenen“, „Verschwörungsmythen“ und Alltagsrassismus“ zur Auswahl. Es wurde recherchiert, ausgewertet, diskutiert, mit Schaschlikspießfiguren Verhalten erprobt, auf der Bühne szenisch improvisiert und in der Stadionhalle fair gespielt – sogar „GGI-Steine“ wurden, in Anlehnung an die bekannten Okersteine, im Projekt „Liebe schenken“ um Frau Fricke, Frau Pelz, Frau Winzer und Frau Gugisch gesammelt, themenbezogen bemalt, beschrieben, bestempelt und in der Umgebung des Gymnasiums ausgesetzt. Wer einen findet, darf ihn mitnehmen, gern bei Instagram unter #ggisteine #schuleohnerassismus posten und sich entscheiden, ob man ihn woanders wieder aussetzen möchte.

Schüler*innen ab Jahrgang 9 wurden nicht nur Themen wie „Rassismus in der Wissenschaft“, „Deutschland und Frankreich – von der Erbfeindschaft zur freundschaftlichen Beziehung“, „Völkerschauen“, „Black Lives Matter“, „Rechtsextremismus in Deutschland“ oder „Memes in Social Media“ innerhalb der Schule angeboten, sondern auch zahlreiche Exkursionen zu außerschulischen Lernorten. Die Projektgruppe um Frau Jankowski und Frau Berger, zum Beispiel, machten sich auf den Weg zur Gedenkstätte KZ – Außenlager Schillerstraße in Braunschweig und beschäftigten sich damit, warum einzelne Menschen verfolgt, inhaftiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Für das Projekt um Frau Kohlstädt und Frau Breyther ging es nach Hannover zum Besuch der Liberalen Jüdischen Gemeinde, die als Mitglied der World Union for Progressive Judaismus für ein weltoffenes

und dynamisches Judentum steht. Ihr Senior Rabbiner überlebte die Schoah im Budapester Ghetto. Sie nahmen an einer Führung teil und hatten ausreichend Gelegenheit, Fragen zu stellen z.B. zum jüdischen Leben in Deutschland, jüdischen Feiertagen und Gottesdiensten, Traditionen und Bräuchen.

Unter dem Projekttitel „Gleichgültigkeit ist Mord – Die Menschen hinter den Peiner Stolpersteinen“ boten Frau Dr. Bethlehem und Frau Schmidt einen Rundgang zur Gedenkstätte der ehemaligen Peiner Synagoge und vorbei an den Peiner Stolpersteinen, natürlich nicht ohne gründliche Recherche zu den jüdischen Mitmenschen, deren Namen die Steine tragen, an. Im Fokus stand die Erinnerung an Männer, Frauen und Kinder, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Peine aus der Mitte der Gesellschaft gerissen und auf grausame Weise ermordet wurden – und an eine teils schweigende, teils jubelnde Gesellschaft, die ihre Menschlichkeit verlor.

Die Peiner Südstadt wurde wiederum von Teilnehmer*innen des Projekts „Türkische Kultur erleben“, geleitet von Herrn Plagge und Herrn Althoff, besucht. Nach dem Treffen am Peiner Bahnhof ging es durch die Südstadt zur Jugendfreizeiteinrichtung Nummer 10. Dort wurde die Projektgruppe von dem Streetworker Herrn Haziri empfangen, der von seiner Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen berichtete. Zudem bekamen die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, in kleinen Gruppen über Schwierigkeiten in diesem Viertel, Vorurteile und deren Zustandekommen sowie Vor- und Nachteile des Lebens in einem kulturell geprägten Stadtteil zu diskutieren. Im Anschluss trafen sie sich im Haus des DITIB-Vereins Peine mit dem Vorsitzenden Herrn Karahan und weiteren Mitgliedern der Türkischen Gemeinde. Herr Karahan beantwortete viele Fragen zur Gemeinde und der islamischen Religion. Besonders interessant war der Besuch der angrenzenden Moschee, in der gerade das Nachmittagsgebet stattfand.

Aber auch der Landtag in Hannover bekam Besuch, nämlich von Schüler*innen des Projekts „Verschwörungsmythen und Desinformation“, geleitet von Herrn Bondzio und Frau Kühling, um sich mit dem gefährlichen Potential von Verschwörungserzählungen für die Demokratie und die Gesellschaft auseinanderzusetzen. Zusammen mit Referenten wurde erarbeitet, warum Verschwörungserzählungen aktuell so viel Resonanz finden und wie man mit ihnen umgehen sollte.

Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Mitarbeiter*innen der außerschulischen Lernstätten für ihre Offenheit, Mühe und ihr Engagement rund um unsere Besuche! Gern halten wir den Kontakt aufrecht, um im nächsten Jahr an die Lernerfahrung anzuknüpfen.

Neben den vielen Erkenntnissen und Erfahrungen, kleinen und großen Ergebnissen sowie Präsentationen sind besonders imposante Produkte im Kunstprojekt um die Kunst-Lehrerinnen Frau Reimer-Nießen, Frau Stolley-Martens und Frau Witthinrich entstanden. Vorrangig Schüler*innen der Kunst-Leistungskurse begegneten dem Thema „Rassismus im Alltag“ auf künstlerisch-kreative Weise im Großformat, sodass man bereits jetzt gespannt sein darf auf die Ankündigung unserer Kunstausstellung im Frühsommer!

Wie es weitergeht? Tatkräftig, natürlich! Momentan arbeitet die AG „Schule ohne Rassismus“ an einem Podcast über unseren Projekttag. Dazu wurden dutzende Tonaufnahmen gemacht, um die Eindrücke des Tages aufzufangen. Am 08.03.2023 um 13.30Uhr läuft in der Aula des GGI der Film „COLLOQUIUM DE DEMOCRATIA IN EUROPA – A DĪS OLYMPI SACRI ACTUM“ – eine Auseinandersetzung über die Demokratie in Europa – geführt von den Göttern des Olymps, die über die Notwendigkeit des Erhaltes von Demokratie in Europa diskutieren und einen Blick in die mögliche und tatsächliche entdemokratisierte Zukunft werfen. Der Film wurde von SchülerInnen des GGI unter der Leitung von Frau Dr. Bethlehem produziert, die Filmmusik selbst komponiert. Unser Projekt-Pate, Jürgen Trittin (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) lädt Interessierte der Schule am 21.04.2023 zu einer Plenarsitzung mit anschließendem Gespräch in den Bundestag ein und wir planen den Besuch des Jüdischen Museums in Berlin. Aber auch im Schulalltag passiert so Einiges: Alle Klassen backen Woche um Woche fleißig für Spenden an ukrainische Flüchtlinge und das Kindernetzwerk in Sierra Leone. Und auch weiterhin bemühen sich Schulleitung, Lehrkräfte und Schüler*innen täglich um die Integration und Bildung unserer 34 Flüchtlingskinder. Wer also denkt, wir seien nun erst einmal fertig, der täuscht! Wir laufen uns gerade erst warm!

Christiane Vieweg
Leiterin der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ am Gymnasium Groß Ilsede

Kommentare sind deaktiviert